Im September des vorherigen Jahres hat Deutschland gewählt: Unter dem Motto „Mehr Fortschritt wagen“ liegt nun der Koalitionsvertrag der SPD, FDP und dem Bündnis 90/den Grünen vor. Dabei wird auch das Thema Digitalisierung angegangen: Von einem digitalen Gesetzgebungsportal bis hin zu einem Forschungsdatengesetz – dieser Blog-Eintrag gibt Ihnen einen Überblick über die Ziele der neuen Bundesregierung und die damit verbundenen Änderungen im IT- und Datenschutzrecht.

Digitale Gesetzgebung und automatisierte Staatsverfahren

Besonders das aktuelle Gesetzgebungsverfahren möchte die Ampel-Koalition innovativer und digitaler gestalten. Dazu sollen zukünftige Gesetze vor Verabschiedung einem sogenannten „Digitalcheck“ unterzogen werden, um die Möglichkeit einer digitalen Ausführung bzw. automatisierten Verarbeitung der Gesetzesinhalte garantieren zu können.

Jenes Konzept ist nicht gänzlich neu. Auch die CDU/CSU waren zuvor Befürworter des „Digitalchecks“. In Dänemark ist er sogar bereits gängige Praxis.[1] Vorteile hierin bestehen nicht nur in einer gesonderten Prüfung auf Verständlichkeit und Einheitlichkeit, sondern vor allem in der damit verbundenen Möglichkeit, sämtliche staatliche Verfahren automatisiert umzusetzen. Als Beispiel nennt der Koalitionsvertrag etwa die Umsetzung der geplanten Kindergrundsicherung.[2] Dazu könnte ein Anspruch auf die Grundsicherung durch Prüfung auf die Erfüllung der im Gesetz beschriebenen Bedingungen erfolgen und anschließend eine automatische Auszahlung stattfinden.

Auch ein digitales Gesetzgebungsportal wird im Koalitionsvertrag vorgestellt. Dieses soll Bürger und Bürgerinnen die Möglichkeit geben, Gesetzgebungsverfahren einfacher zu verfolgen. Einzelne Phasen der Gesetzgebung sowie der aktuelle Stand sollen jederzeit online abrufbar und Änderungen vergleichbar sein, wie es auch bei europäischen Gesetzgebungen bereits möglich ist. Zudem sollen Bürger und Bürgerinnen mehr aktiver Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen können: mit der Einführung einer Kommentarfunktion und eines digitalen Petitionssystems setzt der Koalitionsvertrag verstärkt auf eine Digitalisierung demokratischer Mittel und verspricht mehr Mitspracherecht.

Digitalisierung der Behörden durch Verbesserung des Online-Zugangsgesetzes (OZG)

Neben einer Automatisierung der staatlichen Maßnahmen und Verfahren sollen Verwaltungsleistungen durch Ergänzungen des bereits im Jahr 2017 in Kraft getretene Online-Zugangsgesetzes (Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen – OZG) weiterhin digitalisiert werden. Das OZG sieht vor, dass bis Ende des Jahres 2022 Behörden ihre Leistungen auch digital anbieten müssen. Dies umfasst zum Beispiel das Anmelden eines Gewerbes. Durch das OZG ist es in Hamburg bereits möglich, eine Anmeldung im Gastronomie Bereich online zu tätigen.[3] Daraus folgt, dass die Umsetzung und das Vorantreiben des OZG nicht nur Vorteile für Bürger und Bürgerinnen haben kann, sondern auch für Unternehmen neue, effizientere Möglichkeiten eröffnet.

In diesem Zuge plant die Koalition aber auch, IT-Verfahren zu vereinheitlichen. Dazu sollen bestimmte Begriffe standardisiert und in Generalklauseln zusammengefasst werden. Dies könnte besonders in Hinblick auf das IT-Vertragsrecht Klarheiten schaffen.

Darüber hinaus sollen öffentliche IT-Projekte künftig stärker gefördert werden. Damit Forschungs- und Entwicklungsergebnisse, aber auch Ausschreibungen zugänglicher werden, möchte die Koalition hierzu eine „Cloud der öffentlichen Verwaltung“ aufbauen, auf welcher sich die Leistungen befinden.  Die Föderale IT-Kooperation (FITKO) soll dabei als flexible Einheit die Anliegen von Bürger und Bürgerinnen sowie Unternehmen bearbeiten. Beachtenswert für IT-Unternehmen, die sich für behördliche Projekte interessieren, ist dass solche zukünftig immer auf Open-Source-Code basieren und somit der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden sollen. Hieraus könnten sich Fragen in Hinblick auf die Anwendung standardisierter Vertragsbedingungen, den EVB-IT, ergeben.

IT-Sicherheit und digitale Bürgerrechte

Auch neue Rechte und Gesetze, die das IT-Recht erweitern, sind geplant. Dabei wird vor allem die Gewährleistung von IT-Sicherheit für Unternehmen an Relevanz gewinnen.

Zum einen sollen zukünftig sämtliche digitale Angebote durch ein „Recht auf Verschlüsselung“ einer Verschlüsselungspflicht beim Austausch personenbezogener Daten unterliegen.

Zum anderen soll, wie man es aus dem Datenschutz bereits als „privacy by default“ kennt, eine Pflicht zum „Security by design/default“ eingeführt werden. Damit sollen Sicherheitslücken bereits von vornerein ausgeschlossen werden können, ohne dass Nutzer eigene Maßnahmen ergreifen müssen.

Dies dürfte auch mit der neuen Haftungsregelung einhergehen, wonach Hersteller für Schäden durch fahrlässige Sicherheitslücken zukünftig haftbar gemacht werden sollen. Dies ist überraschend, nachdem eine Haftbarkeit bzw. Gewährleistungsrechte für Datenschutzrechtverletzungen wie es die umzusetzende Digitale-Inhalte-Richtlinie vorsieht, vom deutschen Gesetzgeber nicht übernommen wurde.

Staatliche Stellen müssen in diesem Zuge zudem ihre IT regelmäßig prüfen und Sicherheitslücken dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) melden.

Datenschutz und Wettbewerb

Auch das Datenschutzrecht soll durch die Koalition weiter gestärkt werden.

Spezifisch spricht der Koalitionsvertrag von einem Recht auf Portabilität. Hier stellt sich die Frage, inwiefern dies das bereits bestehende Recht auf Datenübertragbarkeit nach Art. 22 DSGVO ergänzen wird. Fest steht, dass das Bündnis die Umsetzung des Digital Markets Act (DMA), welcher die Möglichkeit von Portabilität und Interoperabilität stärken soll, vorantreiben und ein „Rückfallen“ hinter nationale Regelungen unterbinden möchte. Mehr zu den Zielen des DMA finden Sie hier.

Auch das Thema Datenhandel könnte mit der neuen Koalition eine große Rolle spielen. Geplant ist die Einführung einer neuen Dateninfrastruktur, welche Datenhandel durch Treuhänder, Drehscheiben und Spenden ermöglichen soll. Dies geht mit dem Data Governance Act (DGA) einher, welcher den Zugang zu Daten für Wirtschafts- und Forschungszwecke erleichtern soll. Letzteres möchte auch die Koalition vorantreiben, indem ein Forschungsdatengesetz und ein „Open Access“ zu solchen Daten geschaffen werden soll.

Gesetzgeberisch soll sich auch stärker für die Verabschiedung der lang erwarteten ePrivacy-Verordnung eingesetzt und der Beschäftigtendatenschutz innerhalb des BDSG überarbeiten werden. Welche Änderungen konkret vorgesehen sind, wird noch nicht aufgegriffen.

Besonders ins Auge fallen aber eine geplante Strafbarkeit für rechtswidrige De-Anonymisierung und ein Rechtsanspruch auf Open-Data. Hier bleibt besonders abzuwarten, inwiefern dies genau wie der DGA den Wettbewerb und die Position führender Unternehmen beeinflussen wird und wie ein solcher Anspruch rechtlich gestaltet werden soll.

Künstliche Intelligenz durch den AI-Act

Neben der Datenstrategie möchte sich die Koalition aber auch am Artificial Intelligence (AI) Act beteiligen. Dieser soll vor allem die Risiken künstlicher Intelligenz regulieren, sodass der Einsatz von KI mit einem voraussichtlich gravierenden Risiko verboten werden soll. In diesem Zug positioniert sich die Koalition auch gegen die Einführung staatlicher Scoring-Systeme.

Fazit

Das Thema Digitalisierung findet im Koalitionsvertrag viel Anklang und das Bündnis nimmt sich damit einiges vor. Die Förderung entscheidende europäischer Gesetzesvorhaben, besonders die Umsetzung der Digitalstrategie und die Umsetzung von Datenhandel, weisen viel Innovationspotenzial auf. Inwiefern der Regierung die Umsetzung letztlich gelingen wird, bleibt abzuwarten. Mit Sicherheit werden die kommenden Jahre durch die neue Regierung aber einige Änderungen im IT-Recht bereithalten, auf welche Unternehmen weiterhin ein Auge werfen und die Gesetzgebung mitverfolgen sollten. Dabei wird auch ink Ihnen weiterhin zur Seite stehen.


[1] CDU/CSU, Wir brauchen einen Digitalcheck für Gesetze. 22.10.2019, < https://www.cducsu.de/presse/pressemitteilungen/wir-brauchen-einen-digitalcheck-fuer-gesetze>.

[2] Koalitionsvertrag, S. 15.

[3] Bundesministerium des Inneren und für Heimat: OZG-Leistung „Außengastronomie beantragen“ umsetzen: In Hamburg geht es nur gemeinsam, <https://www.onlinezugangsgesetz.de/SharedDocs/kurzmeldungen/Webs/OZG/DE/2020/online-anwendung-aussengastronomie-beantragen.html>.


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